Wir werden auf der Plattform schon um 03.45 Uhr geweckt.
Jetzt merke ich auch, dass es hier
oben eine Toilette gibt. Hätte übrigens schon vor Stunden 'gekonnt',
war nur zu bequem und wenn ich ehrlich bin, auch ein bisschen
ängstlich, die Stufen wieder herabzusteigen. Gehört habe ich die
ganze Nacht über wenig. Die großen Tiere haben die letzten zwei
Nächte wohl eine Auszeit genommen. Schade, dass unsere Gruppe nichts
gehört und gesehen hat. Dass die anderen Deutschen aber auch nichts
gesehen haben, und das schon zwei Nächte hintereinander, tut mir nun
wirklich nicht leid.
Heute Morgen führt Tony die Gruppe an. Unser System von gestern Abend, von vorn nach hinten durchzusagen: „Brett, Schlamm, Baumstamm, Steg, Wurzel“, funktioniert heute in der Frühe nicht so richtig. Die meisten sind wohl noch nicht so richtig wach, oder? Nach einer knappen Stunde sind wir wieder an der Lodge. Stiefel aus und in die gestern Abend hier deponierten Schuhe.
Kurz vor fünf klopft es an meinem Zimmer. „Theresa, good
morning.“ Augusto holt mich ab, gut
dass ich schon fertig bin. Aber die Gruppe ist noch nicht da. Es
dauert noch eine ganze Weile, bis
sie eintrudeln. Tiere haben sie außer 2 Spinnen nicht gesehen. Ich
habe also nichts verpasst.
Ohne Frühstück geht es los, zuerst den glitschigen und morschen
Steg runter. Diesmal habe ich
den Volltreffer. Die erste morsche Stufe habe ich geschafft, doch
dann 'Peng'. Unsere Gruppe hinterlässt eine Spur der Verwüstung.
Fahrt im Nebel
Es wird langsam hell,
Morgenrot,
Nebelschwaden. Einfach
nur schön! Zuerst fahren
und wandern wir zu
einem kleinen See. Doch
zuvor verteilt Timo im
Boot erstmal an alle
Kaffee oder Tee, damit
wir richtig wach werden.
Die Wanderung ist kurz. Tony zeigt uns noch eine interessante
Wanderpalme, die sich im Jahr ca.
einen Meter weiter bewegt, indem sie ihre Wurzeln immer ein Stück
weiter in den Boden wachsen
lässt. Schon bald taucht der See auf. Hier soll ein Katamaran auf
uns warten. Wer jetzt aber an die
weiße Flotte denkt, irrt. 2 Einbäume, darüber Planken, darauf
Eisenklappstühle. Fertig ist unser
Gefährt. Als ich den Katamaran sehe, bekomme ich fast einen
Lachkrampf, aber er funktioniert.
Bewegt wird der Katamaran mit Muskelkraft. Spritsparend und
umweltschonend. Unser Kapitän
und ein Crewmitglied rudern uns in aller Ruhe am Rande des Sees
entlang. Jede Menge Aras, Affen, abgestorbene Bäume, Nebelschwaden,
eine unwirkliche Landschaft. Riesenotter, die auch hier leben und
die wir vorhin schon gehört haben, bekommen wir heute nicht zu
Gesicht. Dazu Seerosen auf dem See. Auch wenn wir die Otter
nicht gesehen haben, es war wunderschön.
See im Morgenlicht
Danach geht es wieder ins Boot. Um uns herum wabert der Nebel.
Wie will Augusto in dieser
Waschküche eigentlich die nächste Anlgestelle finden? Doch es
klappt. Tückisch ist nur das glitschige Ufer, wie Schmierseife. Doch
alle kommen ohne Schaden hoch. Wird es beim Zurückkommen ebenso
glimpflich abgehen?
Umgestürzte Baumriesen
Auf einem breiten Weg (nach den schmalen
Pfaden wirkt er wie eine Autobahn) geht es zur
Ara-Lecke. Der Weg führt an umgestürzten
Baumriesen vorbei und durch eine
Bananenpflanzung. Ein paar Stufen hoch, Schuhe
ausziehen, wir sind auf der Aussichtsplattform.
Jeden Morgen kommen dort die Papageien hin,
um von dem mineralhaltigen Boden zu picken,
damit sie die im Laufe des Tages zu sich
genommene Nahrung verdauen können und
Giftstoffe neutralisiert werden. Hinter einem
Wasserlauf, nur etwa 80 m von uns entfernt, ist
eine Ara-Salzlecke. Hunderte von grünen
Papageien, wenn nicht gar tausende, fliegen und
sitzen auf Bäumen und im Gebüsch. Dazu die
größeren rot-bunten Aras. Alle scheinen heute Morgen etwas nervös zu
sein. Sitzen, fliegen ihre
Kreise und kommen zurück.
Es ist ein irres Schauspiel. Zuerst Riesenschwärme grün-blauer
Parrots. Es ist ein Flattern und
Kreischen, das einem schwindelig werden kann. Erst viel später
kommen die größeren rot-blauen
Vögel. Hier scheint jede Art auch ihre bestimmte Stelle zu haben,
die sie anfliegen. Wir sind alle total begeistert. Außerdem
entdecken wir in einem Baum auch noch 3 Affen, die wohl die
auf-gehende Sonne genießen. Sie bewegen sich wenig und so sehen sie
auf den ersten Blick aus wie braune Klumpen.
Ara Minerallecke
Während wir das tolle Naturschauspiel mit und ohne Fernglas beobachten, trägt uns unsere Crew das Frühstück nach. Brot, Eier, Obst und Pellkartoffeln. Etwas gewöhnungsbedürftig: Aber, andere Länder – andere Sitten. Und komischerweise schmeckt es den meisten und die anderen sind hart im Nehmen.
Wieder am Boot angekommen, präsentiert uns Augusto stolz seinen
Fang. Einen riesigen Wels.
Natürlich wird er mit seiner Beute fotografiert. Auch Manni lässt
sich mit dem Fisch ablichten, will wohl zu Hause mit dem Anglerglück
eines anderen angeben. Ob wir den Fisch wohl zum Abendessen
bekommen?
Den einen oder anderen Moskitostich habe ich mittlerweile auch, aber bis jetzt ist es noch gut erträglich. Dank Malarone wird das Risiko 'Malaria' ja minimiert. Es nehmen übrigens alle Malarone, Lariam scheint out zu sein.
Zum Glück ist das Ufer inzwischen abgetrocknet, so dass keiner auf den Hosenboden fällt. Obwohl, viel hätte es auch ncht mehr ausgemacht, wir sehen alle schon ziemlich ramponiert aus. In flotter Fahrt geht es weiter, noch drei Stunden bis zum nächsten Ziel, nur unterbrochen durch Pinkelpausen. Leider werden wir bei der Ankunft auch Augusto und Nestro verabschieden müssen.
Auf einmal zeigt Toni nach links, zwei kleine Schildkröten auf einem Baumstamm. Und immer mehr Schildkröten. Aber immer, wenn unser Boot auf Höhe der Baumstämme ist, geht es 'plopp, plopp, plopp' und die Schildkröten lassen sich schnell ins Wasser fallen.
Die angeschwemmten Holzberge werden immer größer und
zahlreicher. Wir haben sicherlich
schon tausende von Festmetern gesehen. Aber hier gibt’s ja Holz im
Überfluss, und die meiste
Zeit ist es ja warm. So schön die Fahrt auf dem Motorkanu auch ist,
durch das monotone Geräusch des Außenbordmotors ermüde ich dann doch
hin und wieder und mache ein kleines
Nickerchen. Aber bei den Mitreisenden sieht es auch nicht anders
aus. Zur Hauptregenzeit ist das Wasser hier übrigens gut 4 m höher.
Was dann wohl hier abgeht. Unser Mittagessen findet heute auf dem
Boot statt. Von hier nach Boca Colorado sind es nur noch 15 Minuten.
Wir kommen gerade an einer Goldwaschanlage vorbei. Hier wird
Flusssand durchgewaschen.
Ja, und dann müssen wir uns von Augusto und Nestro verabschieden.
Ein großes Dankeschön,
ein Trinkgeld und dann natürlich noch eine herzliche Umarmung. Die
beiden waren nett, hilfs-bereit und freundlich. Wir werden sie
vermissen. Sie machen sich von Boca Colorado aus auf den Heimweg
und werden ungefähr 2 Tage brauchen, bis sie wieder zu Hause sind.
Unser Koch Timo wird uns noch weiter begleiten.
Umsteigen
Wir steigen in 3 Fahrzeuge um.
Wilner sagt, die Fahrt dauert 45Minuten. Mit dem 1,5 Faktor multipliziert
(beruht inzwischen auf
Erfahrungswerten) werden wir also
ca. 75 Minuten brauchen. Rüttel- und
Schüttelpiste, die Muskulatur wird
wieder voll beansprucht. Dann
müssen wir am Rio Colorado
umsteigen in kleine Boote, die uns auf
die andere Seite bringen. Wir werden
wieder auf 3 Fahrzeuge verteilt,Fahrzeit 3 Stunden. Ich bin mal
gespannt. Unser Fahrer knallt ganz
schön dranher. Wenn eine Kuppe
kommt, kurz hupen, wird nicht
wiedergehupt, Mitte Fahrbahn, Tempo
und drüber. Ist die Spur vor
Linkskurven auf der linken Seite
besser, hupen und dann das gleiche
Spielchen. Ist schon ganz schön aufregend. Aber es wird hingenommen,
weil es eben 'normal' ist. Und eigentlich habe ich mich inzwischen
auch schon daran gewöhnt. Nach 20 Minuten, oh welch Wunder, eine
asphaltierte Teerstraße. Jetzt geht es doch erheblich schneller. Bei
Tempo 80 - 90 km/h rutscht es richtig, ab und zu eine kleine
Umleitung, wenn über einen Wasserlauf eine neue Brücke gebaut werden
muss. Die Straße führt wohl über Puerto Maldonado bis nach Brasilien
und muss ein Riesenprojekt sein.
Wir passieren gerade ein Straßenteilstück, wo fast nur noch der Asphalt fehlt. Eine Menge Personal ist nötig. Ampeln gibt es auf/an den Baustellen nicht, wird alles durch Bauarbeiter geregelt, auch Frauen. Die Frauen halten ein rotes Schild mit 'PARE' hoch, das heißt Stopp. Das grüne Schild mit 'SIGA' bedeutet Durchfahrt. Einfach und zweckmäßig und es funktioniert immer. Das Durchfahrt verboten-Schild ist 'OBRAS'.
Unser Fahrzeug ist ein Japaner oder Koreaner und hat auf dem
Display die entsprechenden Zeichen. Der Tag ist gelaufen, es fängt
wieder an zu dunkeln. Neben der neuen Straße entstehen wie überall
auch etliche neue Tankstellen. Unser Fahrer ist anscheinend verliebt
in die eigene Hupe. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit wird
mindestens einmal gehupt. Wir fahren nun seit 2 ½ Stunden auf der
teilweise fertigen bzw. nicht fertigen Straße. Gesehen habe ich
sicherlich mehr als 1.000 Bauarbeiter, die, welche das Material
heranschaffen, sehe ich ja nicht. Eine fast
unvorstellbare Zahl, wo die wohl alle herkommen? Doch es ist ja auch
ein Prestigeobjekt, koste
es, was es wolle. Die Fahrt auf den unbefestigten Straßen beinhaltet
auch die regelmäßige
Überquerung von Wassserläufen. Das bedeutet auch Brücken. Wie die
sind? Ich habe sie mir
Umsteigen nicht so genau angesehen, sondern einfach die Augen
geschlossen und dem Fahrer vertraut.
Tja, nun sind wir also auf dem Weg zum Schamanen, brauchen voher sogar nicht mehr umzu-steigen. Der Schamane, zu dem wir heute fahren, ist eigentlich nur Ersatz. Ersatz, warum? Der eigentlich geplante Schamane hat es abgelehnt, uns zu empfangen. Begründung: Er hat Angst, dass wir ihm die Schweinegrippe mitbringen.
Es ist bereits dunkel, als wir am Stadtrand von Puerto Maldonado ankommen. Über enge rumpe-lige Wege geht es immer tiefer in den Urwald. Ringsum ist stockfinstere Nacht, obwohl es erst ca. 19.00 Uhr ist. Ich bin immer wieder erstaunt, wenn uns Fußgänger ohne Lampe entgegenkom-men. Endlich Licht! Wir sind im Dorf des Schamanen. Alle aussteigen und abladen. Der Schamane Roberto begrüßt uns. Er ist sehr symphatisch und hat eine sonore ausdrucksstarke Stimme. Ich bin überrascht, als es heißt, dass es noch weiter geht. Wir rutschen einen glitschigen Abhang runter ins Dunkle. Was ist da unten? Wir landen in einem kaputten Einbaum und müssen in das nächste Boot klettern. Auch das wirkt nicht sonderlich stabil. Die ersten 5 Personen sind drin, es geht über den Fluss. Auf der anderen Seite müssen wir wieder einen Abhang hoch. Als ich auftrete, bricht unter meinem Fuß ein Stück der Kante weg. Ich rutsche aus und lande auf den Knien. Ehe ich jetzt noch weiter runter rutsche und im Wasser lande, geht es auf Knien ein Stückchen weiter, bis ich wieder sicher stehen kann.
Beim Schamanen
Wir kommen oben an der Hütte an, in der wir auch schlafen werden. Unsere Feldbetten und Moskitonetze sind schon aufgebaut. Wir sitzen um einen Tisch und warten. Es dauert lange bis alle Personen und das Gepäck übergesetzt sind. Wann geht es endlich los? Aber wir müssen ge-duldig warten. Dann noch ein kurzer, ungefährlicher Fußweg, und wir kommen in der Hütte des Schamanen an. Ein heiliger Ort. Wir setzen uns an die Wand der Rundhütte. Unsere Gruppe wird komplett an der Schamanenzeremonie teilnehmen. Auch Wilner und Tony sind anwesend, werden aber kein Ayahuasca trinken, nur, wie sie sagen, um auf uns aufzupassen.
Das Getränk Ayahuasca ist eine Mischung aus dem Saft einer Liane,
die im Amazonasbecken
wächst, der mit einigen Kräutern vermischt wird. Sowohl der Schamane
als auch die 'Patienten'
trinken Ayahuasca, was beide in einen erweiterten
Bewusstseinszustand versetzt und das Ziel hat, Körper, Geist und
Seele zu reinigen. Einige sehen während der Zeremonie ihr Leben samt
Zukunft wie einen Film ablaufen.
Der Schamane füllt aus einer Flasche das Ayahuasca in ein Glas.
Der erste trinkt. Das Glas wird
wieder gefüllt. Als alle das Ayahuasca getrunken haben, beginnt der
Schamane die Zeremonie mit
Vogelgezwitscher.
Friedel und ich sind mit bei den letzten, die wieder an der
Schlafhütte ankommen. Doch schlafen
kann noch keiner. Erst nach und nach verschwinden alle auf ihren
Feldbetten.